Dienstag, 5. August 2014

Ende und Anfang

 

Vorigen Donnerstag war mein letzter Tag in meinem Freiwilligem Sozialen Jahr.

Es hat mich doch mehr "mitgenommen" als ich gedacht hatte. Die letzte Woche und vorallem der letzte Tag haben sich total surreal angefühlt. Und als es dann tatsächlich soweit war, war ich total nervös und aufgeregt, und ich war über mich selbst deswegen überrascht. Denn auch wenn ich wusste, dass der 31.7. mein letzter Tag ist, an dem Tag selbst ist es mir dann doch erst schlagartig wirklich bewusst geworden.

Das letzte Jahr war sehr wichtig für mich. Unsere Seminarleiterin vom DRK hat zu uns gesagt, dass ist eine Erfahrung, die uns keiner mehr nehmen kann, ich aber mache mir mehr Sorgen, das ich all das was ich im Vergangen Jahr gelernt habe, mit der Zeit vielleicht vergessen werde. Und das will ich auf gar keinem Fall. Ich habe gelernt, was psychische Erkrankungen sind, welche Menschen und Schicksale dahinter stecken können und wie man mit ihnen umgehen kann. Ich habe gelernt wie ein Team funktionieren kann, was gut und was schlecht für ein Team ist und wie es sich an fühlt ein Teil von einem festen Team zu sein. Ich habe auch viel über mich gelernt. Meine Stärken und Schwächen sind mir jetzt viel bewusster als je zuvor und auch meine eigene Grenze habe ich kennengelernt. Ich kann jetzt besser auf fremde Menschen zugehen und ich kenne  das Gefühl,  wie es ist anderen schon durch Kleinigkeiten zu helfen. Insbesondere habe ich aber von meinen Kollegen und den Patienten auf Station Wichtiges lernen dürfen.

Auch wenn ich hier auf  meinem Blog versucht habe, alles was ich über mein FSJ geschrieben habe positiv darzustellen, war es natürlich so, dass es Höhen und Tiefen gab. Nicht alles was ich erlebt  uns gesehen habe war schön, ganz im Gegenteil es gab auch einige Erlebnisse und Momente die mich runtergezogen haben, durch die ich mich gefragt habe, ob ich mein FSJ vielleicht sogar schon früher beenden möchte. Doch ich habe es durchgezogen und es hat sich gelohnt. Denn auch wenn man negative Dinge erlebt hat, letztendlich kann man immer daraus lernen. Diese weitaus positiver Einstellung habe ich auch gelernt.

Wenn ich an meinen ersten Eintrag hier zurückdenke, in dem ich über mein FSJ geschrieben habe, und all meine Erwartungen und Vorstellungen die ich hatte, habe ich wirklich das Gefühl eine 180° Drehung gemacht zu haben. Teilweise war ich auch ein wenig naiv gewesen, aber eigentlich habe ich ganz im Allgemeinen das Gefühl, dass einem ein bisschen Naivität manchmal gar nicht schadet. Natürlich habe ich mir manches anders vorgestellt, jedoch wusste ich im Prinzip noch nicht mal was ich mir denn genau vorzustellen habe. Wie am Anfang als auch jetzt am Ende vertrete ich immer noch, dass jeder Mensch in seiner Psyche erkranken kann, und keiner davor geweiht ist.

Mein FSJ in der Psychiatrie wollte ich nicht machen, weil ich mit dem Gedanken gespielt habe später mal Arzt, Psychologin, Krankenschwester, Ergotherapeutin etc. zu werden. Ich habe es rein Interesse halber gemacht und weil ich nach dem Abi mal was anderes erleben wollte. Doch auch wenn ich immer noch keines dieser Berufe anstrebe (auch wenn ich es mir zwischendurch durchaus überlegt habe), sind diese Berufe bzw. diese Menschen, die diese Berufe ausüben wirklich ehrenwert. All meine Kollegen und alle Menschen, die ich an meiner Arbeit kennenlernen durfte verdienen von mir den tiefsten Respekt. Gerade meine Kollegen aus der Pflege sind für mich solche beeindruckenden Menschen, da sie jeden Tag solche eine Kraft aufweisen müssen und das teilweise schon über 20 Jahre lang. 

Es gibt sovieles was ich vermissen werde. Ich werde das Gefühl vermissen für andere da zu sein, anderen zu helfen und den täglichen Kontakt mit den verschiedensten Menschen zu haben. Man hatte jeden Arbeitstag das Gefühl schon etwas wichtiges/wertvolles getan zu haben. Das Gefühl Verantwortung zu übernehmen und die Erfahrung zu machen, dass ich Menschen helfen kann war sehr schön. Immerhin ist man (wenn man es durchzieht) ein ganzes Jahr ein einem Standort /einen Arbeitplatz gebunden, an dem man sich (wenn man Glück hat) von mal zu mal wohler fühlt. Mit der Zeit werden einem viele Sachen selbstverständlicher, man gewöhnt sich an vieles und man lebt sich ein und fühlt sich zugehörig.

Das alles, dieser ganze Abschnitt ist jetzt vorbei, der nächste kommt bald aber wenn ich ehrlich bin bin ich momentan noch nicht richtig bereit dafür. gedanklich fühle ich mich noch ein wenig in der Schwebe zwischen diesen beiden Abschnitten

Das alles was ich jetzt geschrieben habe erinnert mich an ein Thema was wir in der Schule in Ethik mal durchgeführt haben. Es war das "Höhlengleichnis" von Platon. Ich versuche es kurz und nicht zu abstrakt zu halten, damit es nicht zu langweilig wird, mich jeder noch verstehen kann und ich nicht als Ober-Streberin rüber komme.

Im Grunde geht es um eine Geschichte, von Menschen, die ihr ganzes Leben gefesselt in einer Höhle verbringen, sodass sie auf eine Wand starren. In hinteren Teil der Höhle brennt ein Feuer, was dazu führt , dass Menschen und Gegenstände (die diese tragen) auf diese Wand als Schatten projiziert werden, welche hinter den gefesselten Menschen lang laufen. Ihr ganzes Leben lang haben die Menschen diese Schatten als das Wahre angesehen haben und es ist das einzige ist was sie je zu Gesicht bekommen haben. Eines Tage wird einer der Gefesselten befreit und gezwungen die Höhle zu verlassen. Der Aufstieg ins Freie ist schmerzhaft für ihn, muss er sich doch erst an die neue Umgebung gewöhnen. Doch als ein wenig Zeit vergangen, und er draußen, außerhalb der Höhle ist, kommt er zu einer Erkenntnis. Durch dieses Erlebnis/diese Erfahrung erkennt er das die Höhle, eine Höhle ist und er erkennt das die Schatten, die er sein ganzes Leben lang als die einzige Realität anerkannt hat in Wahrheit nur ein Abbild von der wahren Realität ist.
Mit dieser Erkenntnis möchte er zurück zu seinen ehemaligen Gleichgesinnten um ihnen von seinem Erlebnis zu erzählen und sie zu der gleichen Erkenntis zu bringen. Der Abstieg ist für ihn, ähnlich wie der Aufstieg anstrengend, denn auch wenn ihn  diese Umgebung von früher bekannt ist, kann er sich nicht mehr mit ihr wohl fühlen und sich mit seinem vorigen Selbst nicht mehr identifizieren. 
Als er zu den Gefesselten kommt, und ihnen sein Erlebnis und sein neues Wissen näher bringen möchte, blocken diese ab, denn da sie selbst diese Erfahrung nicht gemacht haben, können sie sich all das nicht vorstellen. Manch einer ist sogar erschrocken oder sogar belustigt, doch alle können sich mit dieser Vorstellung nicht wohl fühlen, die doch so sehr von ihrem gewohntem Leben bzw. Alltag abweicht.

Im Grunde genommen, fühle ich mich ähnlich wie dieser befreite Mensch. Den "Aufstieg", die Entscheidung mein FSJ zu machen, kam aus meinem Wunsch, dass ich erkennen wollte, wie es in einer Psychiatrie in Wahrheit aussieht. Ich wollte mich nicht länger mit den Vorurteilen zufrieden geben lassen oder den Bilden, die im Fernsehen gegeben werden. In den ersten Wochen in meinem FSJ, gab es soviel zu lernen und neues zu sehen, dass es mich schon fast erschlagen hätte. Doch als ich die Informationen mit der Zeit verdaut hatte, begann ich ich wohler zu fühlen und mich zurecht zu finden. Durch all meine Erfahrungen und Erlebnisse bin ich gereift ich habe oft versucht den Absteig zu anderen Menschen zu machen, die nicht die gleiche Erfahrung gemacht haben um ihnen von all dem zu erzählen. Doch wie in der Geschichte, kann ich mich selber nicht mehr mit meinen vorigen Vorstellungen und denen der "anderen Menschen" identifizieren und es kommt mir unheimlich fremd vor.
Das ist das einzig negative, was ich in der ganzen Sache sehen kann, denn ich habe mir auch von Anfang an gedacht, dass ich genau das machen möchte, ich möchte meine Erfahrungen und Erlebnisse weitergeben. Es stimmt, man muss selbst die Erfahrung gemacht haben um es richtig verstehen zu können.
Nichtsdestotrotz hatte meine Seminarleiterin recht. Diese Erfahrung kann uns keiner mehr nehmen und ich werde mich wohl mein Leben lang mit dem Thema "psychische Erkrankungen" beschäftigen.  
Es ist ein Teil von mir geworden. Und darauf bin ich stolz.


Bis demnächst,
Louisa



Lied des Tages:  Bon Iver- skinny love

1 Kommentar:

  1. Schön, dass dieses Jahr für dich zu so einer wertvollen Erfahrung geworden ist! Man kommt ja doch ein wenig naiv aus der Schule raus... also so ist mir das zumindest ergangen.
    Und du hast in dieser Zeit sicherlich nicht nur sehr viel fürs Leben gelernt, sondern dich als Mensch weiterentwickelt. :)

    Danke!
    Ich hatte eine sehr schöne Zeit und das Heimkommen fiel mir jetzt auch recht schwer. Meine Mama hat neulich gelesen, dass es ungefähr so lange dauert wieder daheim Anzukommen, wie man bräuchte um die Strecke vom Urlaubsort nach Hause zu Fuß zu laufen... ups... keine gute Sache in meinem Fall. ^^

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