Eine der wichtigsten Dinge, die man im FSJ lernt
Man
kann wirklich sagen, dass ich schon allerhand in meinem FSJ gelernt
habe. Soviel, dass sich die 6 Monate schon wie eine ganze lange Reise
an fühlen, die ich in einem Jahr hätte erlebt haben können.
Es
gibt aber auch noch einiges was ich lernen kann und will in dem
nächsten Halbjahr, jedoch habe ich schon eine wichtige Lektion
gelernt. Und jeder, der ein FSJ gemacht hat oder gerade dabei ist wie
ich kennt sie: die Lektion die mit dem Problem einhergeht zu lernen,
sich während seines FSJ richtig einzuschätzen bzw. vorallem sich
nicht zu überschätzen. Und das denke ich ist vordergründig ein
Problem wenn man, wie ich ein FSJ in der Psychiatrie macht.
Natürlich
spreche ich gerade nur aus eigener Erfahrung, aber ich denke ich
liege auch nicht schwer falsch wenn ich behaupte, jeder der mit
seinem FSJ oder auch meinendwegen Praktikum oder generellen Arbeiten
in einem neuen Arbeitsplatz anfängt, möchte sich in gewisser Weise
unter Beweis stellen und einen guten Eindruck machen. Dadurch
entsteht aber oftmals das Gefühl alles richtig machen zu wollen, was
und das ist wichtig, nicht damit gleichzusetzten ist, alles, was
einem aufgetragen wird letztlich auch machen zu müssen.
Es
ist wichtig, auf sein eigenes Gefühl zu hören und seine Gedanken
auch mitzuteilen und nicht für sich zu behalten. Und dass man sich
einer Aufgabe nicht gewachsen fühlt, heißt nicht automatisch, dass
man schlecht ist. Letztlich geht es darum, seine Grenzen
kennenzulernen und ein besseres Gefühl zu entwickeln, was man kann
und was man nicht oder noch nicht kann. Das wiederrum kann man nur
mit der Zeit lernen und indem man immer wider neue Situationen
erlebt.
Mir
zumindest ist es ziemlich schwer gefallen und fällt es teilweise
immer noch schwer mich und meine Fähigkeiten etc. richtig
einzuschätzen. An meinem ersten Tag, damals noch in der Kinder- und
Jugendpsychiatrie war ich hochmotiviert und wollte sofort anfangen,
habe aber ganz schnell gemerkt, dass ich erst einmal die ganzen
komplett neuen Eindrücke verarbeiten musste und andererseits erst
einmal diese völlig neue Welt kennenlernen musste um mich zurecht
finden zu können. Tagelang war die Aufgabe, die ich von meinen
Kollegen bekommen habe erst einmal zu zuschauen und alles zu
beobachten. Klar, geht einmal das mit der Zeit auf den Keks, man
möchte endlich mithelfen und arbeiten. Aber ich sag dir eins, diese
ersten paar Tage und Wochen sind die Wichtigsten und es ist völlig
in Ordnung oder viel mehr es muss so sein, dass man sich erst zurück
nimmt. Sobald dann die ersten Aufgaben kommen will man gleich
loslegen, nach all der Zeit in der man hauptsächlich den stillen
Beobachter gespielt hat. Bei mir war es dann so, dass ich gleich bei
manchen Aufgaben gemerkt habe, dass sie schwieriger sind als die
ausgesehen haben. Ich habe sie unterschätzt. Zumal in einer
Psychiatrie Situationen vorkommen können, die vollkommen unerwartet
und herausfordernd sein können. In welchen, man sich nicht nur
selbst von seiner Psyche her gefährden kann, sondern auch den
Patienten. Aber der Schutz von einem Selbst geht immer vor.
Meine
Erfahrung womit ich die Lektion hauptsächlich gelernt habe, war im
Dezember, als wir eine Krebspatientin auf Station hatten. Es ist
schwierig diese Situation zu beschreiben, aber es war so, dass ich
mich in gewisser Weise für sie verantwortlich gefühlt habe und sie
gerne täglich sehen wollte, damit ich wusste wie es ihr ging.
Eigentlich hatte ich Angst um sie. Ich habe an dem Bild festgehalten,
wer sie einmal war auch wenn dieses Bild immer mehr verschwommen ist,
da sie Metastasen im Kopf hatte und zwischen Stimmungen und in
gewisser Weise auch in Persönlichkeiten gewechselt hat. Es waren
nicht meine Kollegen gewesen, die sie mir aufgedrängt haben und mich
in ihr Zimmer geschickt haben um sie zu pflegen. Viel mehr wollte ich
es selbst. Diese intensive Zeit ging so eine Woche lang und von einem
Moment auf den Anderem wurde mir erst bewusst, was das alles
schleichend mit mir angestellt hat. Meine Nerven waren ziemlich am
Ende. Das alles habe ich aber erst dann und noch stärker nach
mehreren Urlaubstagen so richtig wahrgenommen.
Damit
will ich sagen, dass man sich überschätzt hat, merkt man meist
erst, wenn es schon zu spät ist. Trotzalledem ist es wichtig diese
Erfahrung mal zu machen, da sie einem die eigenen Grenzen aufweist,
die man für die bessere Einschätzung von sich selbst braucht.
Seidem
fällt es mir zwar immer noch nicht leicht mich stets richtig
einschätzen zu können und mich freiwillig aus Situationen
rauszuziehen, denen ich mich nicht gewachsen fühle, aber wenn ich an
diese Zeit im Dezember denke, ist mir mehr denn je bewusst, dass es
mit das wichtigste ist, dass man sich selbst schützt. Auch wenn man
Kollegen wie ich hat, die sehr einfühlsam und verständnisvoll sind,
selbst die können einen nicht immer richtig einschätzten wenn sie
einem eine Aufgabe geben. Vorallem wird es schwierig, wenn man schon
längere Zeit in seiner Einsatzstelle ist, und man von seinen
Kollegen aus zum Team dazugehört und man sich selber auch
dazugehörig fühlt.
Schließlich
geht es nicht darum sich komplett auszupowern und seine Grenzen
überzustrapazieren sondern viel mehr auch wider gesund aus dem FSJ
raus zu kommen. Es geht darum, dass richtige Maß zu finden, zwischen
ich unterschätzte mich und traue mir nichts zu, und ich mache zu
viel und bin komplett überfordert. Meine Kollegen und mittlerweile
auch ich, haben mehrere Schüler erlebt, die damit schwer zu kämpfen
hatten.
Man
braucht Mut dazu, sich einzelnen Situationen zu stellen aber genauso
viel oder sogar mehr Mut um sich selber zurückzunehmen und jemanden
mitzuteilen, das man sich für manche Sachen nicht gewappnet fühlt
Bis
demnächst,
Louisa
-Lied des Tages: Young the Giant- Anagram
Solche Erfahrungen sind sicherlich nicht sonderlich einfach und an manchen Dingen hat man wohl auch ganz schön zu knabbern, aber gerade so was lässt einen eben auch wachsen und reifer werden. Ich glaube die Arbeit mit solchen Menschen ist sicher bei aller Härte auch eine große Bereicherung. Wenn auch nicht immer einfach...
AntwortenLöschenAch, liebes Lob liest man doch immer wieder gerne. ;)
Dankeschön!